Neue Studie

Regionalbanken vor großer Krise?

Bis 2018 werden zwei Drittel aller deutschen Genossenschaftsbanken und Sparkassen kaum noch konkurrenzfähig sein. Das berichtet das Handelsblatt unter Berufung auf eine Studie der Beratungsfirma 4P Consulting. Um gegenzusteuern müssen die Banken an ihrer Kostenstruktur schrauben. Dabei geraten auch die kostenintensive Präsenz in der Fläche und die Beratungsqualität in den Fokus – beides Kernelemente des eigenen Geschäftsmodells.

GeldautomatHohe Kosten durch Präsenz in der Fläche Bild: Ge.Ko2

Für die Untersuchung, die von einer Gruppe von Sparkassen und Kreditgenossenschaften angestoßen wurde, hat der Wirtschaftsprofessor (und 4P-Chef) Bernd Nolte die Ertragslage von 300 Regionalbanken analysiert. Die bislang noch unveröffentlichte Studie kommt dem Handelsblatt zufolge zu dem Ergebnis, dass bereits 2013 jede dritte Sparkasse und Genossenschaftsbank mehr als 74 Cent ausgeben muss, um einen Euro zu verdienen. Ein solches Verhältnis von Aufwand und Ertrag liegt Nolte zufolge im „wettbewerbsgefährdeten Bereich“. Aufwendungen von 60 Cent und weniger stuft Nolte dagegen als „wettbewerbsstark“ ein – allerdings erzielten nur gut 15 Prozent der Regionalbanken eine solche Aufwands-Ertrags-Quote.

Wesentlich verantwortlich für die geringen Erträge sind vier allgemeine Trends, die in den vergangenen Monaten auch schon in anderen Zusammenhängen vielfach diskutiert wurden. Dazu zählen…

  1. …der zunehmende Preisdruck unter anderem durch (ausländische) Direktbanken. Diese wirtschaften dank ihrer meist reinen Onlinestrukturen erheblich günstiger – wobei sie aber gerne auf die teure Infrastruktur der Regionalbanken zurückgreifen (Stichwort Geldautomaten)
  2. …die anhaltende Niedrigzinsphase, infolge derer die Banken ihre auslaufenden Eigenanlagen nur noch zu niedrigen Zinsen neu anlegen können. Zudem ist dadurch die für das Geschäftsergebnis der Banken wichtige Zinsdifferenz zwischen Spareinlagen und vergebenen Krediten deutlich gesunken.
  3. …die im Zuge der Finanzmarktkrise verschärften Regulierungen für die Finanzbranche. Der dadurch bedingte Bürokratie-Aufwand trifft die Regionalbanken infolge ihrer geringen Größe ungleich stärker als die meisten Großbanken.
  4. …die gerade bei den Regionalbanken hohen Kosten für das Geschäftsstellennetz sowie den Personaleinsatz bei Service und Beratung.

Im Ergebnis ist bei den Regionalbanken bis 2018 ein „gravierender Ertragsrückgang“ absehbar, wie Nolte im Handelsblatt warnt. Steuerten die Banken hier nicht gegen, könne sich der Anteil der wettbewerbsgefährdeten Institute bis 2018 auf 65 Prozent erhöhen.

Rezepte gegen die Krise

Doch welche Folgen hat das für die Regionalbanken? Auf die Geldpolitik der Europäischen Union und die Regulierungsvorschriften für den Finanzsektor haben sie so gut wie keinen Einfluss. Aus eigener Kraft beeinflussen können sie nur ihre eigene Kostenstruktur – wobei dann auch die kostenintensive Präsenz in der Fläche und die Beratungsqualität in den Fokus gerät. Hier (weitere) Abstriche zu machen bzw. machen zu müssen, geht jedoch gegen das eigene Selbstverständnis. Schließlich handelt es sich hierbei um einen der tragenden Eckpfeiler im Geschäftsmodell der Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Zudem ist die Nähe zum Kunden auch ein wichtiges Wettbewerbsargument.

„Wir leben nur von der Nähe vor Ort, also den Filialen“, wird beispielsweise der Vorstandssprecher der Volksbank Düsseldorf-Neuss, Rainer Mellis, vom Handelsblatt zitiert. Bevor er an das Schließen von Geschäftsstellen gehe, würde er lieber weitere Back-Office-Arbeiten noch stärker mit anderen Genossenschaftsbanken bündeln. Das gelte beispielsweise für den Kreditprozess, der schließlich in Kiel der gleiche sei wie in Konstanz.

Bei anderen Banken will man mit moderner Technik den Beratungsprozess weiter verschlanken. So kündigt Alexander Wüerst, Chef der Kreissparkasse Köln, im Handelsblatt an, kleinere Filialen stärker vernetzen zu wollen. So könnten dann Spezialisten über neue Videotechnik zu Beratungsgesprächen vor Ort zugeschaltet werden. Noch weiter gehen aktuell die Raiffeisenbank Ichenhausen und die Sparkasse Günzburg-Krumbach. Im Rahmen einer Kooperation teilen sich beide Institute die Kosten für eine gemeinsam betriebene Geschäftsstelle in Ettenbeuren.

Speziell mit Blick auf die Genossenschaftsbanken klingt bei Hintergrundgesprächen mit Primärbankern zudem recht häufig die Erwartung eines neuerlichen Konsolidierungsprozesses ab 2015/2016 an. Spätestens dann solle es bei vielen Banken aufgrund der bis dahin auslaufenden noch gut verzinsten Altanlagen „ans Eingemachte gehen“. Dies könne zu einer neuerlichen Fusionswelle unter den derzeit noch rund 1.100 Kreditgenossenschaften führen.*

Jetzt sind Sie gefragt: Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema? Stehen die Regionalbanken – und speziell die Genossenschaftsbanken – tatsächlich vor einer einschneidenden Krise? Welche Möglichkeiten sehen Sie zur Entlastung des Kosten-Ertrags-Verhältnisses?


*) Bitte beachten: Hierbei handelt es sich um die subjektive Einschätzung einiger Primärbanker im Hintergrundgespräch mit dem Autor. Diese Aussagen können somit nicht als allgemein repräsentativ für den Sektor der deutschen Genossenschaftsbanken gelten.

Quelle: 4P Consulting, Handelsblatt, zudem siehe Links
(Ende) genossenschaftsgeschichte.info/15.01.2014/mar

8 Gedanken an “Regionalbanken vor großer Krise?

  1. Jochen

    Genau: mehr Kooperation ist das Stichwort. Was ich mich immer frage ist, warum es gerade in Kleinstädten Geldautomaten von mindestens 2-3 Banken (Sparkassen, Volks-&Raiffeisenbanken plus oftmals noch Postbank) geben muss, eventuell noch plus Privatbank. Sollen die doch zusammenarbeiten. Jeder Bürger der Region kann bei jeder anderen Bank der Region kostenfrei Geld abheben. Da sparen sich die Banken doch den Betrieb zumindest einiger ihrer Geldautomaten. Oder warum geht das nicht?

  2. Leser

    Ach wir haben doch eh noch viel zu viel Banken. Einige mehr oder weniger schaden da doch nicht. Um so weniger müssen wir später mit unseren Steuergeldern stützen!

  3. mmn

    Dem, was Sie aus nicht zitier-gewollten Hintergrundgesprächen erfahren haben, kann ich auch nur zustimmen. Bei uns wird die Situation wohl ab 2016 kritisch, sofern wir nicht weiter auf der Kostenseite gegensteuern. Eine weitere Fusion steht jetzt im Raum. Zudem prüfen wir gerade die mögliche Schließung von vier modernisierungsbedürftigen kleineren Geschäftsstellen sowie den eventuellen ersatzweisen Einsatz eines neuen Bankenbusses. In der Beziehung kann man ja vielleicht auch aus der Geschichte was lernen. Die Busse gab es ja früher auch schon mal einige Zeit…

  4. Chris

    Marvin, da gab es doch irgendwann um (kurz nach?) der Jahrhundertwende eine Studie der Volks- und Raiffeisenbanken, wonach man damals schon eine Reduzierung der Institute auf 800 ins Auge gefasst hat. Erinnerst Du Dich? Nur war damals noch nicht von einer Niedrigzinsphase die Rede… 🙂

    Und hier noch ein Literaturtip: http://www.amazon.de/Perspektiven-Sparkassen-Genossenschaftsbanken-Wissenschaftliche-Freiherr-vom-Stein-Instituts/dp/3555013858/ (Tagungsband, schon von 2005)

  5. Marvin

    @Chris: Ja, da hab ich tatsächlich auch schon dran gedacht. Wäre vermutlich interessant, sich mal die damaligen Gründe für die Reduzierung der Institute anzuschauen. Nicht unwahrscheinlich, dass die auch heute noch mehr oder weniger aktuell wären…

    Und Danke für den Buchhinweis. Kannst Du es vom Inhalt her empfehlen oder hast Du es nur wegen dem Themenbezug erwähnt? Na, können wir beim nächsten Billard klären… 🙂

  6. Lesestoff

    Und noch ein Buchhinweis:

    „Kommt die Volks- und Raiffeisensparkasse?“ von Mark-Philipp Dagott – aber keine Ahnung, wie gut das ist. Hab ich selbst noch nicht gelesen… Passt aber zumindest vom Titel her ganz gut.

  7. Thomas

    Sehr interessante Buchvorschläge, werde ich mir auf jeden Fall einmal genauer anschauen.

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