Neu aufgelegt

Friedrich Wilhelm Raiffeisen: „Die Darlehnskassen-Vereine“

Im März 1866 veröffentlichte Friedrich Wilhelm Raiffeisen erstmals seinen Ratgeber mit dem sperrigen Titel „Die Darlehnskassen-Vereine als Mittel zur Abhilfe der Not der ländlichen Bevölkerung sowie auch der städtischen Handwerker und Arbeiter. Praktische Anleitung zur Bildung solcher Vereine, gestützt auf sechszehnjährige Erfahrung als Gründer derselben“. 150 Jahre später gibt es das wegweisende Werk in einer neuen Auflage.

Buch: Die Darlehnskassen-Vereine von Friedrich Wilhelm RaiffeisenNeu aufgelegt: „Die Darlehnskassen-Vereine“ von F.W. Raiffeisen Bild: PA mb/gk

In dem Buch schilderte Raiffeisen seine Erfahrungen, die er im Kampf gegen den damals allgegenwärtigen Wucher und die Verarmung der ländlichen Bevölkerung mit der Errichtung genossenschaftlich organisierter Darlehnskassen gemacht hatte. Zudem lieferte er Informationen zur Gründung und Verwaltung solcher Kassen, zum Einsammeln von Spargeldern und zur Vergabe von Darlehn an die Mitglieder. Bis zu seinem Tod 1888 erschienen noch vier weitere von ihm selbst bearbeitete Auflagen, jeweils kritisch geprüft und um zwischenzeitlich gewonnene Erfahrungen ergänzt.

„Die Darlehnskassen-Vereine“ war Raiffeisens erstes Buch, dessen regelmäßige Überarbeitung und Anpassung an die Entwicklung ihn in seinen weiteren Lebensjahren noch vielfach beschäftigen sollte. Seine schöpferische Leistung nötigt umso mehr Respekt ab, wenn man seinen angegriffenen Gesundheitszustand bedenkt. Als Bürgermeister hatte er sich während einer Typhusepidemie in seinem Amtsbezirk mit einem Nervenfieber infiziert. Seither litt er unter wiederkehrenden nervösen Störungen, die mehrfach zu einer zeitweisen Arbeitsunfähigkeit führten.

Mit seinem Schaffen trug Raiffeisen wesentlich zur Ausbreitung der Genossenschaftsidee bei. „Vater Raiffeisen“ nannten ihn die Genossenschaftler schon zu seinen Lebzeiten voller Anerkennung. Er gilt – neben Hermann Schulze-Delitzsch – als der zweite bedeutende Gründervater der deutschen Genossenschaften. Sein Name steht bis heute nicht nur in Deutschland als Synonym für die mitgliederbestimmten Selbsthilfeeinrichtungen. So hat der Bürgermeister aus dem beschaulichen Westerwald wohl tatsächlich „mehr erreicht als Karl Marx“, wie der spätere Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes, Theodor Sonnemann, 1965 einen Artikel über Raiffeisens Lebenswerk überschrieb.

Wer hat’s denn noch gelesen?

Heute entfaltet die Genossenschaftsidee nach wie vor ihre Kraft und Raiffeisen ist als einer ihrer Gründerväter in vieler Munde. 2016 wurde die Idee und Praxis der deutschen Genossenschaften von der Unesco als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt – und damit auch das Erbe Raiffeisens einmal mehr gewürdigt. Doch schon der Herausgeber der siebenten Auflage von Raiffeisens Ratgeber, Hugo Tillmann, stellte 1951 in seinem Vorwort fest, dass „der Anteil der lebenden Genossenschaftler in Deutschland, die das Buch studiert haben, nicht allzugroß sein dürfte“. Diese Einschätzung trifft sehr wahrscheinlich auch 65 Jahre später noch unverändert zu.

Doch das muss nicht so bleiben: 150 Jahre nach der Erstveröffentlichung will der vorliegende Reprint der 1. Auflage Raiffeisens genossenschaftliches Wirken neuen Generationen nahe bringen. Als Beitrag zur Bewahrung originären Gedankengutes lädt er ein, in die Gedankenwelt Raiffeisens einzusteigen – und so auch die ganze Person, seine Ansichten, Ideen und Überlegungen, näher kennen zu lernen. Gleichzeitig will das Buch dazu ermuntern, Vergleiche anzustellen, welche schon von Raiffeisen angedachten Grundprinzipien noch heute gelten und wo sich die Genossenschaftsidee mittlerweile weiter entwickelt hat.

Für diese Neuveröffentlichung wurde Raiffeisens Text behutsam orthografisch modernisiert. Zudem wurde ihm ein kurzer Abriss der Biografie Friedrich Wilhelm Raiffeisens vorangestellt, um die Einordnung in das Lebenswerk des Genossenschaftspioniers zu erleichtern.

Friedrich Wilhelm Raiffeisen: „Die Darlehnskassen-Vereine als Mittel zur Abhilfe der Not …“, 150 Jahre nach der Erstveröffentlichung überarbeitet und neu herausgegeben von Marvin Brendel, 148 Seiten, 10,80 Euro, ISBN 978-3-7450-6632-6

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(Ende) genossenschaftsgeschichte.info/30.12.2016/mar