Eine Frage des Vertrauens

Sparerschutz: Die Sicherungseinrichtung der Bankgenossenschaften

Die Gründung der kreditgenossenschaftlichen Sicherungseinrichtung wird vom Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) als eine Folge der Weltwirtschafts- und Bankenkrise in den 1930er Jahren bezeichnet. Doch das greift angesichts der Vorgeschichte zu kurz. Erste Pläne für eine solche Einrichtung gab es schon vor dem Ersten Weltkrieg.

[Hintergrund: Derzeit arbeite ich gerade an einem Aufsatz über die Gründungsgeschichte besagter Sicherungseinrichtung. Die nachstehenden Informationen stellen insofern einen zwischenzeitlichen „Werkstattbericht“ dar.]

Schon in den Anfangsjahren der Genossenschaftsbewegung zeigte sich, welchen negativen Einfluss Konkurse einzelner Kreditgenossenschaften auf das Vertrauen der Bevölkerung in die Solvenz der anderen Vorschussvereine und Bankgenossenschaften haben konnten. So klagte die Anwaltschaft des Allgemeinen Verbandes Deutscher Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften bereits 1874 angesichts des sich abzeichnenden Konkurses zweier schlesischer Kreditgenossenschaften: „Gewiss aber werden diese Vorfälle von den Gegner des Genossenschaftswesens ausgebeutet werden und vielleicht vorübergehend den Kredit der Vorschussvereine namentlich in Schlesien berühren.

Ein gutes halbes Jahrhundert später hatte sich an dieser Situation nichts geändert. Noch immer kritisierte die Anwaltschaft die Berichterstattung in der Presse, so beispielsweise in ihrem Jahresbericht für 1930:

An die Zusammenbrüche kleiner und kleinster Gebilde [gemeint: Genossenschaften], die irgendeine Bedeutung nicht aufzuweisen hatten, wurden in der Tagespresse oft Ausführungen geknüpft, die geeignet waren, auch das lebensfähige und gute Genossenschaftswesen zu schädigen. Einzelne bedauernswerte Vorgänge wurden verallgemeinert. (…) Es wurde vielfach unter Benutzung des Telegraphen über das sanfte Einschlafen kleiner Genossenschaften berichtet, von deren Existenz selbst in der nächsten Nachbarschaft nichts bekannt war. (…) Die auch heute noch vorhandenen großen Erfolge genossenschaftlicher Arbeit finden dagegen in der Tagespresse nicht immer gebührende Berücksichtigung.

Diese Furcht vor einer „schlechten Presse“ und deren negativen Auswirkungen auf eigentlich gut dastehende Bankgenossenschaften waren letztlich immer wieder eine wesentliche Triebkraft auf dem Weg zur kreditgenossenschaftlichen Sicherungseinrichtung. Zeitweise verband sich damit auch noch die Hoffnung, gestützt auf eine solche Absicherung den Sparkassen im Bereich der mündelsicheren Geldanlagen als Konkurrenz gegenüber treten zu können.

Erste Anläufe

Die ersten – mir bislang bekannten – konkreten Überlegungen für eine solche Sicherungseinrichtung datieren auf 1908. Am 8. Juni des Jahres stellte der Koblenzer Handwerkskammersyndikus G. Köpper auf dem 5. Deutschen Gewerblichen Genossenschaftstag seinen Plan eines Deutschen Sparerbundes vor. Um das Vertrauen der Sparer zu gewinnen, wollte er eine Versicherung einrichten, die die Spargelder für den Fall eines Konkurs einer beteiligten Kreditgenossenschaft absichern sollte. Fünf Jahre später griff dann auch der Direktor des 1901 gegründeten Hauptverbandes Deutscher gewerblicher Genossenschaften, Richard Hetz, die Idee einer Konkursabsicherung für die gewerblichen Kreditgenossenschaften auf. Sein Vorschlag wurde auf dem 10. Deutschen Gewerblichen Genossenschaftstag in Leipzig am 9. und 10. Juni 1913 diskutiert und von den anwesenden Genossenschaftsvertretern befürwortet. Der Hauptverband wurde beauftragt, „alle Schritte zur Einführung einer solchen Versicherung zu tun„.

Doch dann kam der Erste Weltkrieg und die folgende Große Inflation, wodurch die Idee eines Sparerschutzes vorerst wieder in den Hintergrund trat. Im September 1925 warf dann Fritz Seibert, Revisor beim Verband der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften am Mittelrhein e.V., auf dem 62. Genossenschaftstag des Deutschen Genossenschaftsverbandes (DGV) in Freudenstadt/Wittenberg erneut die Frage einer Verlustversicherung auf. Um die schweren Erschütterungen durch den Zusammenbruch einer Genossenschaft in ihrem weiteren Umkreis zu vermeiden, schlug er die Gründung einer Garantiegenossenschaft vor. Zu deren Finanzierung sollten die Kreditgenossenschaften des DGV auf je 250.000 Mark Bilanzsumme einen Anteil von 250 Mark an der Garantiegenossenschaft erwerben.

Kurz vor dem Genossenschaftstag des Deutschen Genossenschaftsverbandes in Köln 1927 legte auch der Direktor des Verbandes der unterbadischen Kreditgenossenschaften, Gustav Günther, einen fundierten Plan zur Gründung einer Garantiegemeinschaft vor. Zwar stieß Günther mit seinen Überlegungen bei der Anwaltschaft des DGV noch auf wenig Zustimmung. Etliche regionale Verbandsdirektoren ermutigten ihn jedoch, sein Konzept weiter zu verfolgen. 1929 kam es dann zu ersten Praxis-Vorstößen einzelner Regionalverbände, allen voran des Verbandes Ostdeutscher „Schulze-Delitzsch“-Genossenschaften in Königsberg. Dieser beschloss im Frühjahr des Jahres die Schaffung einer eigenen Garantiegemeinschaft, an der sich die ihm angehörenden Kreditgenossenschaften auf freiwilliger Basis beteiligen konnten.

Grundsatzbeschluss von 1929

Angesichts der Initiativen verschiedener Regionalverbände bildete das Thema einer Garantiegemeinschaft im September 1929 eine gewichtige Rolle auf dem 66. Deutschen Genossenschaftstag in Stuttgart. Am Ende einer intensiven Diskussion fassten die anwesenden Genossenschaftsvertreter schließlich einstimmig den Beschluss:

„Der Deutsche Genossenschaftstag erkennt die Bedeutung der Gründung einer Garantiegemeinschaft grundsätzlich an. Er beauftragt die Anwaltschaft, die notwendigen Vorarbeiten in die Wege zu leiten und einen entsprechenden Antrag den Unterverbänden zur Beschlussfassung zu unterbreiten.“

Der Durchbruch bis 1937

Unter der Last von Weltwirtschafts- und speziell der ab Juli 1931 einsetzenden Bankenkrise gerieten die Arbeiten an dem Projekt einer Sicherungsgemeinschaft der gewerblichen Kreditgenossenschaften jedoch abermals ins Stocken. Erst nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten unternahm die Anwaltschaft des DGV ab 1933/34 einen neuen Anlauf zur Realisierung einer institutionellen Sicherungseinrichtung. Am 14. Mai 1934 beschloss dann offenbar der Gesamt- und Engere Ausschuss des DGV die Richtlinien für eine Spar-Garantiegemeinschaft der gewerblichen Kreditgenossenschaften.

Auf diesen Beschluss bezieht sich heute übrigens auch der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken wenn es um das Gründungsdatum der Sicherungseinrichtung geht. Allerdings bleibt es fraglich, wie relevant diese Entscheidung in der Gründungsgeschichte der Sicherungseinrichtung tatsächlich ist (siehe: Jubiläum mit Zweifeln). Immerhin gab der damalige DGV-Anwalt Dr. Johann Lang auf dem im Dezember 1934 in Berlin abgehaltenen 70. Deutschen Genossenschaftstag unumwunden zu, dass man sich angesichts der unveränderten Rentabilitätsschwierigkeiten bei den Genossenschaften und noch ungeklärter steuerlicher Fragen entschlossen habe, „vorläufig (…) von einem Beschluss, die Garantiegemeinschaft allgemein für alle Genossenschaften einzuführen, abzusehen„. Stattdessen bat er die Regionalverbände, sich in ihrem Bereich weiterhin für die Gründung von Garantiegemeinschaften einzusetzen.

Zeitgenössischen Quellen zufolge wurde die Bildung eines Kreditgenossenschaftlichen Garantiefonds des Deutschen Genossenschaftsverbandes letztendlich erst im Rahmen des 72. Deutschen Genossenschaftstages am 24. bis 26. Oktober 1937 in Berlin einstimmig von den gewerblichen Kreditgenossenschaften beschlossen. Die ersten Beiträge dafür gingen dann bis zum 30. Juni 1938 ein.


(Ende) genossenschaftsgeschichte.info/12.05.2014/mar

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