Überblick

Genossenschaften in der DDR

In der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) verlief die Erneuerung des Genossenschaftswesens nur anfänglich ähnlich wie in den drei westlichen Zonen. Im Gegensatz zu den Prinzipien der genossenschaftlichen Selbstverwaltung und der Mitgliederförderung mussten sich die Genossenschaften bald weitgehend den Planvorgaben der sozialistischen Wirtschafts- und Finanzpolitik unterordnen.

VdgB statt Raiffeisen

Den ländlichen Raiffeisengenossenschaften wurde aufgrund ihrer Bedeutung für die landwirtschaftliche Produktion bereits mit Befehl Nr. 146 vom 20. November 1945 von der Sowjetischen Militäradministration die Wiederaufnahme ihrer Geschäftstätigkeit gestattet. Neben ihrer traditionellen Tätigkeit sollten sie im Zuge der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft („Bodenreform“) zudem bei der „weiteren Befreiung der werktätigen Einzelbauern aus der Abhängigkeit von den Großbauern“ mithelfen.

DDR-Sparbuch VdgB (BHG) Sparbuch einer VdgB (BHG) Quelle: Stiftung GIZ

Diese angestrebte Großproduktion sowie der parallel vorangetriebene Aufbau zentraler Lenkungsstrukturen führten 1949 zu einer Umbildung der früheren Raiffeisengenossenschaften in Landwirtschaftliche Dorfgenossenschaften. Diese waren nicht mehr nach ihrer traditionellen wirtschaftlichen Spezialisierung, sondern nach dem Territorialprinzip organisiert. Dazu fusionierten die Bezugs- und Absatzgenossenschaften sowie die noch separat bestehenden Spar- und Darlehnskassen auf Dorfebene zu Universalgenossenschaften.

Bis zum Frühjahr 1946 wurden zudem parallel in allen Ländern der SBZ die Vereinigungen der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) gebildet. Mit den nach sowjetischem Vorbild gegründeten Bauernkomitees suchte die SED ihre Macht im landwirtschaftlichen Sektor zu sichern. Im November 1950 wurde schließlich die Vereinigung der VdgB mit den landwirtschaftlichen Genossenschaften beschlossen. Ziel war die Bildung einer einheitlichen Massenorganisation für die Landwirtschaft. Die früheren Raiffeisengenossenschaften wurden somit schon in den Anfangsjahren der DDR zu einem verlängerten Arm der staatlichen Wirtschaftspolitik: Statt der Mitgliederförderung rückte die Erfüllung staatlicher Planvorgaben in den Mittelpunkt.

Banken für Handwerk & Gewerbe

Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch für die gewerblichen Genossenschaften feststellen – in der DDR unterteilt in Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH), die Einkaufs- und Liefergenossenschaften (ELG) der verschiedenen Handwerksinnungen sowie die Genossenschaftsbanken für Handwerk und Gewerbe.

Werbung: Genossenschaftsbank für Handwerk und Gewerbe der DDR Werbung einer Genossenschaftsbank für Handwerk und Gewerbe der DDR (1964) Quelle: PA mb/gk

Für die gewerblichen Genossenschaften sei hier kurz auf das Beispiel der früheren Volksbanken verwiesen: Ihnen wurde mit SMAD-Befehl Nr. 14 vom 15. Januar 1946 die Wiederaufnahme ihrer Geschäftstätigkeit „zum Zwecke der beschleunigten Entwicklung der gewerblichen Erzeugung“ gestattet. Nachdem sich die Gewerbebanken in den ersten Jahren nach Gründung der DDR noch relativ unbeeinflusst von staatlichen Eingriffen entwickeln konnten, wurden auch sie – wenn auch weniger konsequent als die ländlichen Genossenschaften – sukzessive in das sozialistische Planungssystem eingebunden.

Ein wesentlicher Schritt hierzu war das neue einheitliche Musterstatut von 1970. Danach hatten die Banken für Handwerk und Gewerbe im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehungen nunmehr „auf die Lösung der mit dem Volkswirtschaftsplan gestellten Aufgaben aktiv Einfluss zu nehmen“. Zudem wurden sie auch offiziell der Aufsicht der örtlichen Kreistage bzw. der Stadtverordnetenversammlungen unterstellt. So sollte eine enge regionale Zusammenarbeit und somit auch ein stärkerer Einfluss auf die Banken gewährleist werden.

Konsumgenossenschaften

Die Wiedererrichtung der von den Nationalsozialisten aufgelösten Konsumgenossenschaften wurde in der sowjetischen Besatzungszone durch den SMAD-Befehl Nr. 176 vom 18. Dezember 1945 angeordnet. Der Befehl sah gleichzeitig vor, dass den neuen Genossenschaften das Altvermögen der liquidierten Konsumgenossenschaften zu übertragen war. Schnell stiegen die KONSUM-Geschäfte mit ihrem System der Rückvergütung – neben der staatlichen Handelsorganisation HO – zum wichtigsten Akteur im Einzelhandel auf. Sie waren zwar formal selbstständig, gleichzeitig jedoch eng in das planwirtschaftliche Lenkungssystem eingebunden.

So folgten die Konsumgenossenschaften ab 1953 auch willig einer „Empfehlung“ des Politbüros der SED, sich künftig vor allem auf die Versorgung der Landbevölkerung zu konzentrieren. Dazu hatten sie im Rahmen ihres Versorgungsauftrages in nahezu jedem auch noch so kleinen Dorf eine meist nicht rentable Verkaufsstelle zu unterhalten. Insgesamt verfügten die 200 Konsumgenossenschaften und 14 Konsumgenossenschaftsverbände der Bezirke (Stand Ende 1987) unter anderem über mehr als 30.000 Verkaufseinrichtungen, 6.000 Gaststätten, 14 Backwarenkombinate sowie 16 Fleischwarenkombinate und -betriebe.

Wohnungsbaugenossenschaften

Im Bereich der Wohnungs-/Baugenossenschaften wurden in der DDR nach dem Arbeiteraufstand im Juni 1953 so genannte Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften (AWG) gegründet. Im Rahmen der staatlichen Wohnungspolitik wurden sie unter anderem mit zinslosen Krediten von der Staatsbank gefördert. Die noch aus der Zeit vor 1945 bestehenden gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaften wurden in der DDR erst 1957 revitalisiert und in Gemeinnützige sozialistische Wohnungsbaugenossenschaften (GWG) umgestaltet.

Im Unterschied zu den AWG war die Mitgliedschaft bei den GWG nicht an einen bestimmten Arbeitgeber gebunden. Gemeinsam war beiden Formen hingegen, dass die Mitglieder für den Bau von Genossenschaftswohnungen praktische Arbeitsleistungen erbringen mussten – entweder am Objekt selbst oder allgemein im Baugewerbe. Diese Leistungen wurden erst ab den 1970er Jahren mit der zunehmenden Mechanisierung des Baugeschehens und der Einführung der Plattenbauweise nach und nach durch größere Geldzahlungen der Genossenschaftsmitglieder ersetzt.

Re-Transformation mit der Wende

Für alle Genossenschaftstypen in der DDR brachte die deutsche Wiedervereinigung ab 1989/90 tiefgreifende gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen. Organisatorisch wandelten sich die Genossenschaften in einem Transformationsprozess wieder zu „reinen“, an die bundesdeutschen Verhältnisse angepassten Genossenschaften – ohne staatliche Bevormundung, dafür wieder mit demokratischer Selbstverwaltung und Mitgliederförderung.