Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten brach 1933 auch für die Genossenschaften eine schwere Zeit an. Ihr Prinzip der genossenschaftlichen Selbstverwaltung kollidierte mit dem vom Nationalsozialismus geprägten „Führerprinzip“, nach dem Führer immer von oben einzusetzen waren.
Bereits am 15. März 1933 wurde in einem Artikel im „Völkischen Beobachter“ das demokratische Selbstverwaltungs- und Organisationsprinzip als historisch überlebt bezeichnet. Die Genossenschaften sollten vielmehr der NS-Ideologie und dem Führerprinzip untergeordnet werden:
„Die Genossenschaften haben nicht immer die Kraft, nationalpolitische, wirtschaftlich-schöpferische, aufbauende Keimzellen zu werden. Die heutige Idee des Genossenschaftswesens wird mit der Zeit des sterbenden Kapitalismus selber ihr Ende finden; die Führer des Genossenschaftswesens werden die Schwingungen der neuen Zeit erkennen müssen…“
Selbstverwaltung contra „Führerprinzip“
Die ablehnende Haltung der Nationalsozialisten lag unter anderem im genossenschaftlichen Prinzip der demokratischen Selbstverwaltung begründet, welches mit dem vom Nationalsozialismus geprägten „Führerprinzip“ kollidierte:
„Die Bewegung vertritt im kleinsten wie im größten den Grundsatz der unbedingten Führerautorität (…) Abstimmungsausschüsse gibt es nicht (…) Immer wird der Führer von oben eingesetzt (…) Es ist eine der obersten Aufgaben der Bewegung, dieses Prinzip zum bestimmenden nicht nur innerhalb ihrer eigenen Reihen, sondern auch für den ganzen Staat zu machen.“
(Adolf Hitler, Mein Kampf, 224. Auflage, München 1936, S. 378.)
So gesehen passten die Genossenschaften kaum in das wirtschaftspolitische Ordnungskonzept der Nationalsozialisten. Allerdings war ihre wirtschaftliche Bedeutung insgesamt inzwischen zu groß, als dass man sie einfach hätte auflösen können. Von diesem Schicksal betroffen waren lediglich die Konsumgenossenschaften. (siehe hierzu: Auflösung der Konsumvereine)
Austausch von Führungskräften
Gleichschaltung der Handwerksorganisationen
Zur Begründung für die Notwendigkeit zur Gleichschaltung der handwerklich/gewerblichen Genossenschaften hieß es im Mai 1933 in den Blättern für Genossenschaftswesen wie folgt:
„Die Forderung nach Gleichschaltung in den Wirtschaftsorganisationen berührt im tiefsten Grunde die zukünftige Stoßkraft und Schlagfertigkeit der nationalsozialistischen Bewegung und damit mehr oder weniger das Fundament des Staates. (…) Bei der werdenden nationalen Staatsordnung ist es undenkbar, dass die bisherige persönliche Freiheit der Organisationsführer in ihrer bisherigen willkürlichen Schrankenlosigkeit bestehen bleiben kann. Der neue Organisationsführer muss sich dem Staat unterordnen können. (…) Die Führergarde der alten Generation der Handwerksführer kann aber wahrscheinlich weltanschaulich nicht mehr vollständig umdenken. Das ist einer der Hauptgründe, die den Nationalsozialismus zwingen, Menschen seiner Weltanschauung in die Leitung der Organisationen hineinzubringen.“
In den anderen Wirtschaftsbereichen setzten die Nationalsozialisten dagegen auf eine personelle Umbesetzungen von Führungspositionen oder die Einsetzung von „Partei-Beauftragen“. Ein Beispiel hierfür ist das Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaues der deutschen Wirtschaft vom 27. Februar 1934. Danach oblag es fortan dem Reichswirtschaftsminister, Wirtschaftsverbände zu errichten, aufzulösen oder miteinander zu vereinigen, Satzungen zu ändern und insbesondere den Führergrundsatz einzuführen.
Basierend auf diesen neuen rechtlichen Grundlagen ernannte Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht beispielsweise am 23. Oktober 1936 den früheren Reichs-Führer der Hitlerjugend und späteren Leiter des Kampfbundes des gewerblichen Mittelstandes, Dr. Theodor Adrian von Renteln, zum neuen Präsidenten des Deutschen Genossenschaftsverbandes (Schulze-Delitzsch).
Insgesamt erstreckte sich die so genannte „Gleichschaltung“ vor allem auf die Führungsschichten der jeweiligen Verbände und zentralen Gemeinschaftsunternehmen. Bei den einzelnen Genossenschaften wurde sie nach bisherigen Erkenntnissen hingegen überwiegend nicht systematisch betrieben. Mitentscheidend hierfür waren unter anderem die politische Gesinnung der Genossenschaftsleiter als auch ihre Einstellung gegenüber der autarkiegetriebenen nationalsozialistischen Umstrukturierung der deutschen Wirtschaft. Hierbei wurden die mit der Landwirtschaft verbundenen Genossenschaften in den Reichsnährstand eingegliedert und für die „Erzeugungsschlacht“ instrumentalisiert. Die Kreditgenossenschaften wurden in der „Reichsgruppe Banken“ zusammengefasst – ihr Geschäft beschränkte sich schnell auf das Einsammeln von Spargeldern, die über Reichsanleihen der nationalen Rüstung zugeführt wurden.