Unterm Hakenkreuz

Genossenschaften im Nationalsozialismus

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten brach 1933 auch für die Genossenschaften eine schwere Zeit an. Ihr Prinzip der genossenschaftlichen Selbstverwaltung kollidierte mit dem „Führerprinzip“. Entsprechend machte die Gleichschaltung nicht vor ihnen Halt. Zudem waren die Genossenschaften – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – an der Judenverfolgung beteiligt.

Nationalsozialismus: Raiffeisenfeier 1938 in Neuwied Nationalsozialistische Raiffeisen-Feier 1938 in Neuwied Bild: PA mb/gk

Die Nationalsozialsten standen den Genossenschaften anfänglich sehr kritisch gegenüber. Bereits kurz nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 wurde die genossenschaftliche Organisationsform in einem Artikel im „Völkischen Beobachter“ (vom 15. März 1933) als historisch überlebt bezeichnet: „Die Genossenschaften haben nicht immer die Kraft, nationalpolitische, wirtschaftlich-schöpferische, aufbauende Keimzellen zu werden. Die heutige Idee des Genossenschaftswesens wird mit der Zeit des sterbenden Kapitalismus selber ihr Ende finden; die Führer des Genossenschaftswesens werden die Schwingungen der neuen Zeit erkennen müssen“.

Gleichschaltung

Die ablehnende Haltung der Nationalsozialisten lag unter anderem im genossenschaftlichen Prinzip der demokratischen Selbstverwaltung begründet, welches mit dem vom Nationalsozialismus geprägten „Führerprinzip“ kollidierte. Auch wenn die Genossenschaften kaum in das wirtschaftspolitische Ordnungskonzept der Nationalsozialisten passten, war ihre wirtschaftliche Bedeutung insgesamt inzwischen zu groß, als dass man sie einfach hätte auflösen können. Von diesem Schicksal betroffen waren lediglich die Konsumgenossenschaften. (siehe Auflösung der Konsumvereine)

In den anderen Wirtschaftsbereichen setzten die Nationalsozialisten dagegen auf eine personelle Umbesetzungen von Führungspositionen oder die Einsetzung von „Partei-Beauftragen“. Insgesamt erstreckte sich die so genannte „Gleichschaltung“ vor allem auf die Führungsschichten der jeweiligen Verbände und zentralen Gemeinschaftsunternehmen.

Ausführlicher hierzu: Gleichschaltung des Genossenschaftswesens

Judenverfolgung

Judenverfolgung: Boykott jüdischer Geschäfte 1933Boykott eines jüdischen Geschäftes in Berlin am 1. April 1933Bild: US National Archives and Records Administration

Auch die Judenverfolgung machte vor den Genossenschaften nicht Halt. So wurde beispielsweise die Mustersatzung der gewerblichen Genossenschaften 1936 um einen Paragraphen gegen „nichtarische“ Mitglieder erweitert. Allerdings wurde der diskriminierende Absatz nicht von allen mittelständischen Genossenschaften übernommen.

Drei Tage nach der Reichskristallnacht vom 9. November 1938 erließ Hermann Göring als Hitlers Beauftragter für den Vierjahresplan dann die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“. Darin wurde ihnen mit § 3 auch die Mitgliedschaft in Genossenschaften verboten: „Ein Jude kann nicht Mitglied einer Genossenschaft sein. Jüdische Mitglieder von Genossenschaften scheiden zum 31. Dezember 1938 aus. Eine besondere Kündigung ist nicht erforderlich.“

In welchem Ausmaß sich die Genossenschaften insgesamt bei der Diskriminierung und Verfolgung ihrer jüdischen Mitglieder, Angestellten und Kunden beteiligt haben, lässt sich pauschal kaum sagen. Zwar haben zahlreiche Genossenschaften inzwischen ihre NS-Vergangenheit aufgearbeitet, doch aufgrund der Eigenständigkeit jeder Genossenschaft lassen sich diese individuellen Ergebnisse nur schwer verallgemeinern.

Ausführlicher hierzu: Judenverfolgung im deutschen Genossenschaftswesen

Volksbanken in Großdeutschland (Anzeige von 1938) „Volksbanken in Großdeutschland (Werbeklischee von 1938) Bild: PA mb/gk

 

Zweiter Weltkrieg: Berliner Gedächtniskirche Zweiter Weltkrieg: Berliner Gedächtniskirche in Trümmern Quelle: PA mb/gk

Wirtschaftlich konnten vor allem die gewerblichen und landwirtschaftlichen Genossenschaften nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten eine Belebung verzeichnen: Konjunktur- und Rüstungsprogramme sorgten für Aufträge bei Handwerkern und Händlern und die Landwirte profitierten von der totalen Ablieferungspflicht innerhalb des Reichsnährstandes.

Die mit der Landwirtschaft verbundenen Genossenschaften wurden in den Reichsnährstand eingegliedert und für die „Erzeugungsschlacht“ instrumentalisiert. Die Kreditgenossenschaften fassten die Nationalsozialisten in der „Reichsgruppe Banken“ zusammen – ihr Geschäft beschränkte sich schnell auf das Einsammeln von Spargeldern, die über Reichsanleihen der nationalen Rüstung zugeführt wurden.

Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges durch den Überfall auf Polen am 1. September 1939 zeigten sich jedoch auch hier die Schattenseiten: je mehr wehrfähige Mitarbeiter und Mitglieder mit fortschreitendem Kriegsverlauf im Feld standen, umso schwieriger gestaltete sich die Aufrechterhaltung des genossenschaftlichen Lebens. Das zeigte sich insbesondere bei der Besetzung der Vorstandspositionen und Aufsichtsräte ebenso wie bei der Aufstellung geprüfter Jahresabschlüsse und der ordnungsgemäßen Abhaltung beschlussfähiger Generalversammlungen. Negativ wirkten sich zudem Materialengpässe infolge der zunehmenden strikten Wirtschaftslenkung sowie die im weiteren Kriegsverlauf auftretenden Zerstörungen durch Bombenangriffe und die Rückkehr des Krieges auf deutsches Gebiet aus.

Im Frühjahr 1944 errangen die Alliierten die uneingeschränkte Luftherrschaft über Deutschland. Luftangriffe legten nun auch deutsche Städte im Hinterland in Trümmer. Fliegeralarm und die vom Luftschutz angeordneten Verdunklungsmaßnahmen bestimmten den Kriegsalltag deutscher Stadtbewohner in immer stärkerem Umfang.

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