Hintergrund

Im Wortlaut: Der Deutsche Genossenschaftsverband zum Ausschluss jüdischer Mitglieder 1938

Am 12. November 1938 erließ Hermann Göring als Hitlers Beauftragter für den Vierjahresplan die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“. Darin wurde ihnen mit § 3 auch die Mitgliedschaft in Genossenschaften verboten. Der vom Nationalsozialisten Adrian von Renteln geführte Deutsche Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch) begrüßte die Ausgrenzung der Juden in seiner Verbandszeitschrift:

„Als Präsident des Deutschen Genossenschaftsverbandes ist es mir ein Bedürfnis, Ihnen [gemeint Hermann Göring – Anmerkung d. Verf.] im Namen von 5000 gewerblichen Genossenschaften herzlichsten Dank zu sagen für die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben (…). Die Genossenschaften sind Ihnen zu umso größeren Dank verpflichtet, als es bisher jeglicher rechtlichen Möglichkeit ermangelte, einem Juden die Mitgliedschaft zu kündigen. (…)

Heil Hitler!

Dr. von Renteln, Reichshauptamtsleiter“

(Quelle: „Blätter für Genossenschaftswesen“, Nr. 22/1938 vom 15. November 1938)

Und auch zum Jahresbeginn 1939 würdigte der Deutsche Genossenschaftsverband die Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben nochmals ausführlich in seiner Verbandszeitschrift:

„Mit dem heutigen Tage gibt es im Deutschen Reiche keinen Juden mehr, der Mitglied einer Genossenschaft wäre. So bedeutsam diese Feststellung zunächst klingt, so wenige Genossenschaften werden es sein, die praktisch von ihr betroffen werden. Denn der echte und ursprüngliche Genossenschaftsgedanke ist zu deutsch und gemeinschaftsbildend, als dass sich das jüdische Element ihm hätte verwandt fühlen können. Und umgekehrt, gerade die Tatsache, dass das Judentum so gut wie überhaupt nicht in das Genossenschaftswesen eingedrungen ist, beweist, wie wenig kapitalistisch und wie wenig marxistisch, sondern wie ursprünglich deutsch die genossenschaftliche Rechtsform ist!

(…)

Wenn es überhaupt Juden in Genossenschaften gegeben hat, so in verschwindend geringer Zahl, als natürliche Folge liberalistischen Einflusses in einer liberalistischen Zeit. (…) Und wenn es seit dem Umbruch bis heute nicht gelungen ist, das Judentum restlos aus dem Genossenschaftswesen auszuscheiden, so ist das sicher nicht die Schuld der Genossenschaften. Denn wo entsprechende Satzungsänderungen eingeführt wurden und wo versucht wurde, die von früher her in den Genossenschaften befindlichen Juden endlich auszuscheiden, da waren es bis gestern tote Paragraphen, die die Genossenschaften zum weiteren Paktieren mit den Juden zwangen! Und es bedurfte erst der Schärfe eines Schwertstreiches Hermann Göhrings, um auch juristisch zu trennen, was das Leben schon längst geschieden hatte.

So können die Genossenschaften am Neujahrsmorgen mit dem Gefühl der Reinlichkeit aufatmen in der Gewissheit, dass über Nacht der letzte Jude auch aus der letzten Genossenschaften verschwand.

(…)

Die letzten Juden sind gegangen; nun rufet die – Jugend!“

(Quelle: „Blätter für Genossenschaftswesen“, Nr. 1/1939 vom 1. Januar 1939)

Bitte beachten: Die Auszüge geben nur die offizielle Einstellung des stark von der Gleichschaltung betroffenen Spitzenverbandes wider. Mit welcher Bereitwilligkeit sich die Genossenschaften insgesamt bei der Diskriminierung und Verfolgung ihrer jüdischen Mitglieder (aber auch ihrer Angestellten und Kunden) beteiligt haben, lässt sich pauschal kaum sagen. Zwar haben zahlreiche Genossenschaften inzwischen ihre NS-Vergangenheit aufgearbeitet, doch aufgrund der Eigenständigkeit jeder Genossenschaft lassen sich diese individuellen Ergebnisse nur schwer verallgemeinern. Eine Zusammentragung der Einzelergebnisse könnte sich hier als interessant erweisen, um zumindest Tendenzen beim Umgang mit den Juden in den Genossenschaften ausmachen zu können…