Für die Jahrzehnte zwischen Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Einheit lässt sich allgemein festhalten, dass ein verschärfter Wettbewerb und neue technologische Entwicklungen zu einem weitreichenden Konzentrationsprozess innerhalb des Genossenschaftswesens führten. Besonders betroffen hiervon waren die westdeutschen Kreditgenossenschaften. Ihre Zahl sank zwischen 1949 und 1990 um knapp drei Viertel!
Verschärfte Konkurrenz
Spätestens ab den 1960er Jahren sahen sich die Kreditgenossenschaften einem verstärkten Wettbewerbsdruck ausgesetzt: Auf dem Land litten die Raiffeisenbanken unter dem Expansionsdrang der Sparkassen; in den Städten drängten die Privatbanken verstärkt in das Kleinkundengeschäft der Volksbanken. Zusätzlich verschärft wurde die Situation durch die Aufhebung des 1932 geschlossenen Zinsabkommens zum 1. April 1967. Plötzlich war die Höhe der Zinssätze ein Wettbewerbsfaktor. Zudem lief parallel das schon 1928 beschlossene Wettbewerbsabkommen aus, das den Geldinstituten jede „aufdringliche“ Werbung verbot. Somit konnten die Banken nun auch wieder offensiv für ihre Produkte und Konditionen die Werbetrommel rühren.
Erschwert wurde die Wettbewerbssituation für die Volksbanken und Raiffeisenbanken zudem durch das für sie bis Ende 1973 geltende Kreditvergabe-Verbot an Nicht-Mitglieder. Vermutlich dürften nicht wenige potentielle Privatkunden von einer Kontoeröffnung bei einer Bankgenossenschaft abgesehen haben, wenn sie sogar für einen einfachen Überziehungskredit (Dispo-Kredit) zuerst Mitglied werden mussten. Weiterer Kostendruck entstand darüber hinaus durch den Auf- bzw. Ausbau funktioneller, aber auch repräsentativer Bankgebäude sowie die Einführung moderner Technologien zur Datenverarbeitung.
Als Folge dieser unterschiedlichen Faktoren verringerte sich die Zahl der westdeutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken allein zwischen 1949 und 1971 von 11.942 auf 6.385 Banken. Das entspricht einem Rückgang von knapp 47 Prozent.
Der Zusammenschluss zum DGRV
Doch damit war das Konsolidierungspotenzial noch nicht ausgeschöpft. Denn bei allen Zusammenschlüssen hatte man sich weiterhin an die historisch gewachsene Zweiteilung in städtisch-gewerbliche Volksbanken und ländliche Raiffeisenbanken gehalten. Doch diese Trennung wurde im Hinblick auf die sehr ähnlichen Kunden- und Mitgliederstrukturen zunehmend in Frage gestellt. Schließlich schwächten sich die Kreditgenossenschaften als Bankengruppe so nur unnötig selbst im Wettbewerb mit anderen Banken, allen voran den Sparkassen.
Angesichts dieser Situation begannen der Deutsche Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch) und der Deutsche Raiffeisenverband im Frühjahr 1967 mit offiziellen Verhandlungen zur Neuordnung der ländlichen und gewerblichen Genossenschaftsorganisationen. Nach mehrjährigen Verhandlungen einigten sich beide Verbände schließlich 1971 auf die Gründung eines gemeinsamen Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes (DGRV). Als neue Dachorganisation umfasst der DGRV nun alle gewerblichen und ländlichen Genossenschaften Deutschlands. Unter seinem Dach entstanden wiederum drei unabhängige Fachverbände. Einer von ihnen war der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), der zum 3. Januar 1972 seine Arbeit als Spitzenverband für die Kreditgenossenschaften aufnahm.
Professionalisierung durch „Vier-Augen-Prinzip“
Die nun möglichen Fusionen zwischen Volks- und Raiffeisenbanken gaben dem Konzentrationsprozess ab 1972 einen neuerlichen Schub. Für weiteren Konsolidierungsdruck gerade bei kleineren Raiffeisenbanken sorgte zudem das 1976 für Kreditinstitute eingeführte „Vier-Augen-Prinzip“. Danach kann die Erlaubnis für das Bankgeschäft zurückgezogen werden, wenn ein Geldinstitut nicht mindestens zwei ausgebildete Geschäftsleiter beschäftigt, und das nicht nur ehrenamtlich.
Insgesamt sank so die Zahl der Kreditgenossenschaften zwischen 1949 und 1990 von 11.942 auf 3.037. Das entspricht einem Minus von 8.905 Genossenschaften bzw. knapp 75 Prozent.