Die Wiedervereinigung Deutschlands bedeutete auch für das Bankwesen der DDR eine weit reichende Anpassung an das bundesdeutsche System. Daraus ergaben sich zahlreiche neue Anforderungen – wie etwa Auslandszahlungsverkehr, Selbstbedienungs- und andere IT-Technik, Vermögensberatung oder Wertpapierhandel. Diese gingen deutlich über die ehemaligen Aufgaben der ostdeutschen Institute hinaus. Nach der Einbindung in die sozialistische Planwirtschaft wartete somit auf die zum Ende der DDR noch existierenden 95 Genossenschaftskassen für Handwerk und Gewerbe und 272 Bäuerlichen Handelsgenossenschaften erneut ein einschneidender Transformationsprozess – jetzt wieder hin zu eigenständigen Universalbanken.
(gekürzte Wiedergabe meines Artikels „Zweifache Anpassung. Kreditgenossenschaften in der DDR und in den fünf neuen Bundesländern“, erschienen im BVR-Magazin „Bankinformation“, Nr. 5/2009, S. 42-45)
Im ländlichen Bereich standen die früheren DDR-Genossenschaften unter anderem vor der Trennung von Geld- und Warengeschäft, wie es in Westdeutschland größtenteils schon in den 60er und 70er Jahren geschehen war. Die Bankabteilungen der Bäuerlichen Handelsgenossenschaften (BHG) wurden dabei zwischen April und Oktober 1990 wieder in Raiffeisenbanken umfirmiert. Teilweise übernahmen sie auch das Geschäft von den früheren Kreisfilialen der übergeordneten Bank für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft. Im gewerblichen Bereich beschlossen die Genossenschaftskassen auf ihrem Verbandstag am 20. April 1990 die Umfirmierung ihrer Institute in Volksbanken.
Hilfe von westdeutschen Genossenschaftsbanken
Unterstützung erhielten die neuen Institute aus dem Verbund der westdeutschen Kreditgenossenschaften. Im Rahmen individueller Bankpatenschaften zwischen Ost und West wurden materielle Hilfestellungen gegeben und gegenseitig Mitarbeiter ausgetauscht. Die DG Bank und die Genossenschaftsverbände veranstalteten zudem Weiterbildungsseminare für ostdeutsche Mitarbeiter. Diese behandelten beispielsweise die Grundlagen der Kreditvergabe oder die Besonderheiten der verschiedenen Aufbauprogramme.
Vom Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) wurde im Mai 1990 ein Solidarfonds zur Finanzierung der Personalmaßnahmen initiiert. Durch eine Abgabe der westdeutschen Kreditgenossenschaften in Höhe von 0,1 Promille ihrer Bilanzsumme per 31. Dezember 1988 kamen hierbei rund 45 Millionen D-Mark zusammen. Ein zweiter Solidarfonds für Investitionen in Höhe von 280 Millionen D-Mark wurde von den genossenschaftlichen Zentralbanken und den Verbundunternehmen aufgelegt. Hieraus sollten vor allem Bau- und Renovierungsmaßnahmen der ostdeutschen Genossenschaftsbanken gefördert werden.
Parallel zu den Unterstützungsmaßnahmen für die Primärinstitute vor Ort mussten auch die notwendigen Strukturen für die Betreuung auf Verbands- und Zentralbankebene aufgebaut werden. Dazu übernahm die DG Bank für ganz Ostdeutschland die Zentralbankfunktion und stand den Einzelbanken beratend zur Seite. Auf Verbandsebene ging es vor allem darum, für die ostdeutschen Banken die gesetzlich geforderte Zugehörigkeit zu einem Prüfungsverband zu gewährleisten. Dazu wurden ihnen die westdeutschen Prüfungsverbände geöffnet – und damit auch die Mitgliedschaft im BVR und der Sicherheitseinrichtung.
Neuer Konsolidierungsprozess
Im Zuge der Neuordnung des genossenschaftlichen Bankenbereichs in der ehemaligen DDR zeigte sich auch die Notwendigkeit eines weiteren Konzentrationsprozesses. So lag beispielsweise das Geschäftsvolumen der ostdeutschen Kreditgenossenschaften zum Jahresende 1990 mit 15 Millionen D-Mark je Bankstelle deutlich niedriger als bei den dortigen Sparkassen (50 Millionen D-Mark). Hinzu kam eine starke Zersplitterung in 338 separate Genossenschaftsbanken (verglichen mit 195 Sparkassen).
Im Ost-West-Vergleich zeigte sich zudem, dass die Volksbanken und Raiffeisenbanken in den neuen Bundesländern 1990 im Schnitt lediglich über 395 Mitglieder verfügten, verglichen mit 3.750 Mitgliedern pro Institut im Westen. Daraus resultierten unter anderem eine geringere Eigenkapitalausstattung, ein kleinerer Kundenstamm sowie insgesamt höhere Aufwendungen etwa beim Einsatz neuer IT-Technik.
Als Reaktion darauf kam es bereits ab 1990 unter den zu kleinen Genossenschaftsbanken zu einem weitreichenden Konzentrationsprozess. Dabei schrumpfte ihre Zahl bis 1998 um 190 auf 148 Institute. Die Zahl der Bankstellen nahm von 1.971 auf 1.648 ab.
Veränderung der Bilanzstruktur
Zudem gab es Verschiebungen in der Bilanzstruktur der einzelnen Banken: Noch 1990 machten die – wenig ertragreichen – Sichteinlagen rund 40 Prozent des Geschäftsvolumens ostdeutscher Genossenschaftsbanken aus (verglichen mit 12,7 Prozent in Westdeutschland). In den folgenden Jahren sank ihr Anteil durch einen verstärkten Ausbau des Kreditgeschäfts. So nahm zwischen 1992 und 1997 der Bereich Kundenkredite um 70,7 Prozent zu, während die Sichteinlagen nur um 23,8 Prozent anstiegen.
Nicht zuletzt aufgrund dieser deutlichen Änderung der Bilanzstruktur als auch des nachholenden Konzentrationsprozesses haben sich die Genossenschaftsbanken der ehemaligen DDR im vereinten Deutschland als dritte Gruppen neben privaten Kreditbanken und öffentlichen Sparkassen etabliert. Durch die Integration in die genossenschaftliche Finanz-Gruppe verfügen sie zudem über die notwendige Palette von Produkten und Dienstleistungen, um sich als mittelständische Universalbanken weiterhin behaupten zu können.