Erinnerungen von Bankmitarbeitern

Die Währungsunion 1990 in ostdeutschen Genossenschaftsbanken

Mit der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR vom 1. Juli 1990 wurde die Deutsche Mark das offizielle Zahlungsmittel in der DDR. Was so einfach klingt, war in der Praxis ein logistischer Kraftakt. 460 Tonnen Geldscheine und 600 Tonnen Münzen im Gesamtwert von 27,5 Milliarden D-Mark wurden per LKW in die DDR gebracht. Vor welche Herausforderungen die Währungsunion die Mitarbeiter einer Genossenschaftsbank stellte, soll nachstehend zumindest ansatzweise anhand einiger Zeitzeugen-Erinnerungen verdeutlicht werden.

Chronik Ostharzer Volksbank Die Chronik der Ostharzer Volksbank (2011)

(Die nachstehenden Zeitzeugen-Aussagen entstanden im Rahmen eines Chronik-Projektes für die Ostharzer Volksbank eG. Sie stammen alle von Mitarbeitern der Bank bzw. ihrer verschiedenen Vorgänger im Raum Aschersleben-Thale-Quedlinburg. Auf die Angabe der konkreten Namen habe ich hier bewusst verzichtet.)


»Noch gut in Erinnerung geblieben sind mir die neuen Angebote. Jetzt gab es ja plötzlich mehr als nur Girokonten und Sparbücher mit dem Einheitszinssatz von 3,25 Prozent. Gerade im Juli/August 1990 rannten uns die Kunden sprichwörtlich die Türen ein wegen Ratenkrediten für ihre neuen Autos. Aber auch Bausparverträge waren stark gefragt, ebenso wie Festgeldanlagen zu den damals hohen Zinssätzen von 7 bis 8 Prozent…«

»Der Arbeitsaufwand war gerade in den ersten Monaten sehr groß. Arbeitszeiten von 10 bis 14 Stunden waren eher die Regel als eine Ausnahme – und das noch weit über die Währungsunion zum 1. Juli 1990 hinaus. Im Monat vor der Währungsunion haben wir vor allem neue Konten eröffnet – sie waren ja für den Geldumtausch nötig. Im Schnitt waren das wohl 50 Konten am Tag. Teilweise haben wir die Kunden nur noch Blanko-Anträge zur Kontoeröffnung unterschreiben lassen und ihre persönlichen Angaben nach Feierabend nachgetragen.«

»Kurz nachdem ich im Mai 1990 bei der Thalenser Volksbank angefangen hatte, ging es mehrere Tage zur EDV-Schulung nach Teutschenthal. Dort gaben uns Vertreter aus Westdeutschland Einblicke in die neue Banktechnik und die Belegverarbeitung. Auf der Rückfahrt hatten wir große PC-Pakete im Trabi – darin Computer, Monitor, Drucker. In der Bank mussten wir uns dann erst einmal damit vertraut machen, wo beispielsweise im Drucker das Endlos-Papier einzulegen war…«

»Überstunden, Überstunden, Überstunden – so kann man wohl die Währungsunion nicht nur in der Volksbank Thale zusammenfassen. Für rund drei Monate gab es eine komplette Urlaubssperre. Wir arbeiteten bis in die Nacht hinein, oftmals mussten unsere Männer kommen und uns das Abendessen bringen. Als die D-Mark dann am 1. Juli 1990 kam, standen Menschenmassen vor unserer Tür – in einer mindestens 20 bis 30 Meter langen Schlange. Teilweise war die Stimmung etwas aufgewühlt, wenn es den Menschen nicht schnell genug ging.«

»Unsere Bargeldversorgung während der Währungsunion lief über die Sparkasse. Dort war wohl der einzige einigermaßen brauchbare Tresorraum. Und von dort haben wir uns am 30. Juni auch das gesamte Geld für die Erstauszahlung geholt. Zurück ging es über den Marktplatz mit dem Handwagen voller ‚Westgeld‘, darüber eine Decke und ein Polizist in Zivil hintendran. (…) Ich war während der Währungsunion in Elbingerode. Das war eine der kleinen Filialen der BHG Hasselfelde. Wir hatten daher im Vorfeld des 1. Juli auch nur eine geringere Menge an D-Mark bekommen – und das war nach etwa 15 Minuten ausgezahlt.«

„Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir in Giersleben die erste D-Mark bekamen. Die wurde uns in einem Sack aus Aschersleben geliefert. Die 20-D-Mark-Scheine waren grün und noch so frisch vom Druck, dass wir alle grüne Finger hatten. Und ich hatte absolut nur Respekt vor diesem Geld und habe gedacht, oh Gott, wenn wir da eine Kassendifferenz haben, das glaubt uns ja kein Mensch.“

»In den Tagen nach der Währungsunion haben wir die D-Mark mit unserem Lada direkt von der Staatsbank-Filiale in Quedlinburg geholt. Anfangs wurden wir da noch von Polizisten begleitet, später dann nicht mehr – war ja unauffälliger. Wenn das Geld zu schnell alle war, holten wir auch mal mit Stoffbeuteln neue D-Mark von der Sparkasse. Die aus dem Verkehr gezogenen DDR-Mark-Scheine wurden ziemlich schnell abgeholt, ganz im Gegensatz zu den DDR-Münzen. Als der Tresor voll war – was ziemlich schnell der Fall war – lagerten wir die ‚Alu-Chips‘ erst unter den Schreibtischen und später dann in einem Schuppen im Hinterhof.«

Am 3. Oktober 1990 folgte dem währungspolitischen Anschluss der DDR auch die staatliche Vereinigung. Mit dem von vielen lediglich noch als Formsache betrachteten Beitritt der neuen Länder zur Bundesrepublik war die Einheit offiziell vollzogen. Im wiedervereinigten Deutschland galten nun eine einheitliche Eigentums- und Rechtsordnung, eine Wirtschafts- und Sozialordnung und eine Währung.