Rechtliche Absicherung

Das Genossenschaftsgesetz

Das von Hermann Schulze-Delitzsch entworfene und erstmals 1867 in Preußen verabschiedete Genossenschaftsgesetz gab den Genossenschaften eine größere rechtliche Sicherheit. Ihre Gründung war nun nicht mehr von einer staatlichen Konzession und damit vom Wohlwollen der regionalen Behörden abhängig. Eine Revision des Genossenschaftsgesetzes führte 1889 zur Einführung der beschränkten Haftung – und sorgte damit für einen neuen Aufschwung der Genossenschaftsbewegung.

Genossenschaftsrecht(Bild: aboutpixel.de/Sergei Brehm)

Je weiter die junge Genossenschaftsbewegung in den deutschen Landen ab Mitte des 19. Jahrhunderts um sich griff, umso stärker wurden auch die Probleme sichtbar, die sich aus dem Fehlen klarer juristischer Regeln ergaben. So griffen die Behörden nicht selten willkürlich in die Geschäfte der Genossenschaften ein oder pochten auf ihr Recht der Konzessionserteilung. Zudem waren die Assoziationen nicht selbstständig rechtsfähig. Im Geschäftsverkehr mit Dritten mussten daher einzelne Mitglieder vorgeschoben werden, was mit zusätzlichen Risiken und Kosten verbunden war.

Staatliche Obrigkeit misstraut den Genossenschaften

Um diese fehlende Rechtsfähigkeit zu beseitigen, legte Hermann Schulze-Delitzsch bereits 1860 einen ersten Gesetzentwurf vor. Darin sollte den Genossenschaften eine ihren besondere Eigenschaften entsprechende eigenständige Rechtsform zugestanden werden. Bis zum tatsächlichen Erlass des Gesetzes sollten allerdings noch einige Jahre vergehen.

Verzögert wurden die Verhandlungen darüber unter anderem durch den Argwohn und das Misstrauen, dass der jungen Genossenschaftsbewegung vor allem von reaktionären Politikern entgegengebracht wurde. Das lag mit darin begründet, dass zahlreiche Assoziationen von Männern ins Leben gerufen wurden, die als Demokraten der Revolutionsjahre 1848/49 verfemt waren. Sie konnten sich in der Phase der Reaktion im öffentlichen Leben kaum mehr engagieren. Stattdessen brachten sie ihre Vorstellungen von Demokratie und Selbstbestimmung als feste Prinzipien in die Genossenschaften ein. Die konservativen staatstragenden Schichten standen den Selbsthilfeorganisationen daher eher kritisch gegenüber. Ein Beispiel für ihre Einstellung ist die Haltung des Ministerpräsidenten von Preußen und späteren Reichskanzlers Otto von Bismarck: Er sah insbesondere in den Kreditgenossenschaften „die Kriegskassen der Demokratie, die unter Regierungskontrolle gestellt werden müssen“.

Streit um staatliche Genehmigungspflicht

So verwundert es auch nicht, dass die preußische Regierung die Rechtsfähigkeit für Genossenschaften am liebsten von der Erteilung einer behördlichen Konzession abhängig machen wollte – was wiederum von Schulze-Delitzsch vehement abgelehnt wurde. Am Ende gelang es letzterem nach mehreren Anläufen 1867 seine Gesetzesvorschläge im Preußischen Landtag durchzusetzen und den Genossenschaften die rechtliche Anerkennung ohne Voraussetzung einer staatlichen Genehmigung zu sichern.

Genossenschaftsgesetz – Gesetzbuch von 1920Veröffentlichung des Genossenschaftsgesetzes mit ergänzenden Kommentaren (1920)(Bild: Bibliothek PA mb/gk)

Bereits ein Jahr später wurde das Preußische Genossenschaftsgesetz mit einigen Änderungen von den Staaten des Norddeutschen Bundes übernommen. Nach der Gründung des Deutschen Reichs 1871 wurde es schließlich zum Reichsgesetz erhoben. 1889 wurde es in revidierter Form als „Reichsgesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften“ beschlossen, welches in wesentlichen Grundzügen trotz einiger weiterer Novellierungen bis heute Bestand hat.

Einführung der begrenzten Haftpflicht

Als wohl wichtigste Änderung für die weitere Entwicklung des Genossenschaftswesens hat sich dabei – neben der Einführung der Revisionspflicht, einer gerichtlich geführten Mitgliederliste oder der Zentralgenossenschaften – die Zulassung der beschränkten Haftung erwiesen. Hierdurch wurde das Risiko für die bislang solidarisch haftenden einzelnen Genossenschaftsmitglieder auf einen in der jeweiligen Satzung festgelegten Maximalbetrag begrenzt. Dadurch sollten vor allem die Bedenken wohlhabender Mitglieder gegenüber der genossenschaftlichen Bewegung ausgeräumt werden. Sie brauchten nun nicht länger zu befürchten, im Extremfall für die gesamten Schulden einer Genossenschaft aufkommen zu müssen.