Zeitgenössische Stimme

Zeitungsartikel über Zweck und Nutzen der Vorschussvereine (1858)

Die positive Resonanz auf die neuen Vorschussvereine war oftmals auch die Folge einer positiven Berichterstattung in den lokalen Zeitungen. Ein Beispiel ist der nachstehende Artikel aus dem Ascherslebener „Anzeiger“, der bereits kurz nach der Gründung des Ascherslebener Vorschuss-Vereins im Jahr 1858 erschien: Darin wird den interessierten Lesern vorgerechnet, dass ein im Herbst aufgenommenes Darlehn zum Großeinkauf der für den Winter benötigten Vorräte trotz der anfallenden Zinsen günstiger sei, als wenn man Lebensmittel oder Kohle über die kalte Jahreszeit hinweg immer wieder in kleinen Mengen kaufen würde.

„Zweck und Nutzen des hiesigen Darlehnskassen-Vereins.

Der Zweck des hiesigen Darlehnskassen-Vereins ist: die Arbeitskraft durch Gewährung von Geldmitteln in den Stand zu setzen, sich geltend zu machen, insbesondere den Gewerbetreibenden, die zum Betriebe ihres Gewerbes entweder überhaupt nicht hinlängliche oder nur die für den geregelten Betrieb desselben erforderliche Kapitalien haben, durch Darlehne zu unterstützen. Eben so dient sein Zweck denjenigen Haushaltungen, deren Einkommen zwar die regelmäßigen Bedürfnisse deckt, denen aber in ungewöhnlichen oder unvorhergesehenen Fällen es an den erforderlichen Geldmitteln fehlt. Für alle diese ist die Darlehnskasse ein offener Geldbeutel…
(…)
Dass also die Vereinskasse nicht stärker in Anspruch genommen ist, liegt teils darin, dass die Mitglieder des Vereins des Geldes nicht in einer größeren Summe bedürftig gewesen, teils darin, dass der Nutzen der Darlehnskasse im Publico noch nicht hinlänglich erkannt und diejenigen ihm noch nicht beigetreten sind, die des Geldes bedürfen. Denn, dass überhaupt kein Geldbedürfnis obwalte, das kann nur der behaupten, der mit den gegenwärtig obwaltenden Verhältnissen gänzlich unbekannt ist. Um daher die Aufmerksamkeit mehr auf diesen wohltätigen Verein zu lenken, wollen wir dessen Nutzen in einem einzelnen Falle in Zahlen zeigen.

Der Oktober ist ein viel verlangender Monat und bringt denjenigen Haushaltungen, in denen das Geld nicht immer in dem Maße vorrätig ist, wie es die Zeit jedesmal fordert, schwere Sorgen. Denn der Geldmangel in dieser Zeit steigert die Ausgaben des folgenden Winters auf eine höchst empfindliche Weise. Im Oktober haben zahlreiche Familien außergewöhnliche Ausgaben an Miete und Schulgeld und sollen nebenbei auch noch auf den Ankauf der Wintervorräte denken. Wer dies nicht kann, ist schlimm daran. Ein mit solchen Sorgen belasteter Hausvater nahm sich daher zu deren Beseitigung aus der Darlehnskasse auf 3 Monate 20 Taler. An Zinsen und Verwaltungskosten wurden ihm 15 Silbergroschen in Abzug gebracht. Das scheint viel zu sein, aber dennoch hat der Darleiher ein ganz unerwartet vorteilhaftes Geschäft gemacht. Er hat für die erborgte Summe gekauft:

  • 9 Scheffel Kartoffeln, à 10 Silbergroschen = 3 Taler
  • 4.000 Braunkohlen, à Mille 3 Taler = 12 Taler
  • 3 Scheffel Pflaumen [zum Kochen von 120 Portionen Mus] = 4 Taler

also in Summa 19 Taler.

Ohne das Darlehn wäre er gezwungen gewesen, die erwähnten Lebensbedürfnisse während des Laufes des Winters in kleinerer Quantität vor und nach zu kaufen. Dann hätten aber mindestens gekostet:

  • 9 Scheffel Kartoffeln, à 15 Silbergroschen = 4 Taler, 15 Silbergroschen
  • 4.000 Braunkohlen, à Mille 3 1/3 Taler = 13 Taler, 10 Silbergroschen
  • 120 Portionen Mus, à 2 Silbergoschen = 8 Taler

also in Summa 25 Taler, 25 Silbergroschen.

Da er nun mit Einschluss der dem Vereine gezahlten 15 Silbergroschen Gebühren jene Bedürfnisse für 19 Taler und 15 Silbergroschen angeschafft hat, so stellt sich für ihn ein Gewinn 6 Taler und 10 Silbergroschen heraus und der Darleiher hat also ein Geschäft gemacht, dass ihm 32 1/3 Prozent Gewinn gebracht hat. Hierbei ist der Vorteil noch nicht mit in Anschlag gekommen, der daraus erwächst, dass der Darleiher in den Besitz guter Lebensbedürfnisse gekommen ist. Er hat wohlschmeckende gesunde Kartoffeln, reine Braunkohlen und reinliches angenehm schmeckendes Mus, wogegen er, wenn er diese Gegenstände im Laufe des Winters kaufte, sich gefallen lassen musste, unschmackhafte Kartoffeln, mit Erde vermischte, nicht wärmende Braunkohlen und Mus zu erhalten, von dem er wenigstens nicht überzeugt sein konnte, dass es ekelhafte Ingredienzien nicht enthielt. Wer also hohe Prozente gewinnen will, der leihe zur rechten Zeit aus der Darlehnskasse. Dann gilt von ihm der Satz: Schuldenmachen bringt Reichtum!“

(Quelle: Stadtarchiv Aschersleben, „Anzeiger für die landräthlichen Kreise Aschersleben, Calbe, Mansfeld“ vom 24.November 1858. Die Währungsangabe bezieht sich auf die ab 1821 eingeführten „Preußische Neue Reichsthaler“ (Thaler). Hierbei setzt sich ein Taler aus 30 Silbergroschen bzw. 360 Pfennigen zusammen.)