Aufschwung der Genossenschaften (1890-1913)

In den Jahren nach der Revision des Genossenschaftsgesetzes erfuhr die deutsche Genossenschaftsbewegung einen deutlichen Auftrieb. Insgesamt stieg die Zahl der Selbsthilfevereinigungen von gut 5.000 im Jahr 1889 bis auf 48.000 zum 1. Juni 1922. Diese gewaltige Zahl bestand zu drei Vierteln aus landwirtschaftlichen Genossenschaften, innerhalb derer wiederum die 19.269 Ländlichen Spar- und Darlehnskassen dominierten.

Das Genossenschaftsgesetz

Das von Hermann Schulze-Delitzsch entworfene und erstmals 1867 in Preußen verabschiedete Genossenschaftsgesetz gab den Genossenschaften eine größere rechtliche Sicherheit. Ihre Gründung war nun nicht mehr von einer staatlichen Konzession und damit vom Wohlwollen der regionalen Behörden abhängig. Eine Revision des Genossenschaftsgesetzes führte 1889 zur Einführung der beschränkten Haftung – und sorgte damit für einen neuen Aufschwung der Genossenschaftsbewegung.

Der Systemstreit zwischen Raiffeisen und Schulze-Delitzsch

Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch – die sich persönlich nie begegneten – hatten teilweise sehr unterschiedliche Ansichten über die praktische Ausgestaltung ihrer Selbsthilfevereine. Daraus entwickelte sich ab Ende der 1860er Jahre eine heute als „Systemstreit“ bezeichnete Phase der Auseinandersetzung zwischen den beiden deutschen Genossenschaftspionieren.

Biografie: Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888)

Denkt man an ländliche Genossenschaften, so kommt einem fast zwangsläufig auch der Name Friedrich Wilhelm Raiffeisen in den Sinn. Neben Hermann Schulze-Delitzsch gilt er als der große Gründervater des deutschen Genossenschaftswesens. Doch wer war der Mann, dessen Name bis heute in der Bezeichnung zahlreicher Bank- und anderer Genossenschaften weiter lebt?

Friedrich Wilhelm Raiffeisen und die ländlichen Genossenschaften

Die Wurzeln der Raiffeisen’schen Genossenschaften reichen zurück bis in den Westerwald zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Dort sah sich der noch junge Bürgermeister Friedrich Wilhelm Raiffeisen mit den Problemen der oftmals mittellosen Landbevölkerung konfrontiert. Bei Missernten oder verendetem Vieh suchten viele Bauern ihr Heil bei Wucherern, die ihnen zu ernormen Zinsraten Geld liehen. Konnten die Bauern das Geld nicht zurückzahlen, drohte ihnen die Zwangsversteigerung der Höfe. Wie Hermann Schulze-Delitzsch in der Stadt setzte Raiffeisen auf dem Land auf regionale Zusammenschlüsse der Dorfbewohner – wobei er infolge seines von christlichen Werten geprägten Lebensbildes die Faktoren Christenpflicht und Nächstenliebe wesentlich stärker betonte.