Archiv der Kategorie: Genossenschaftsgeschichte

Entwicklung der Konsumgenossenschaften 1949-1989

Vor besonderen Herausforderungen standen nach 1945 die Konsumgenossenschaften: Von den Nationalsozialisten aufgelöst wurden sie vielerorts bald nach Kriegsende von alten Genossenschaftlern neu- bzw. wieder gegründet. Doch der allgemein steigende Lebensstandard und die Konkurrenz durch Discounter und Warenhäuser setzten die „Verbrauchergenossenschaften“ zunehmend unter Druck. In den 70er und 80er Jahren verschmolzen zahlreiche Konsumgenossenschaften zur co op AG – die wiederum 1988/89 im Zuge eines der größten Wirtschaftsskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte zerschlagen wurde.

Genossenschaften in der Bonner Republik

Verstärkter Wettbewerb, der Trend zur Größe, mehr Mitglieder aber weniger Einzelgenossenschaften insgesamt, eine stärkere Betonung ökonomischer Aspekte, Professionalisierung der Mitarbeiter, Kontroversen über eine Abkehr von der ursprünglichen Genossenschaftsidee – bei der Entwicklung der Genossenschaften Westdeutschland und Westberlin lassen sich bis 1989 einige allgemeine Trends erkennen.

Der Konzentrationsprozess der Volks- und Raiffeisenbanken

Für die Jahrzehnte zwischen Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Einheit lässt sich allgemein festhalten, dass ein verschärfter Wettbewerb und neue technologische Entwicklungen zu einem weitreichenden Konzentrationsprozess innerhalb des Genossenschaftswesens führten. Besonders betroffen hiervon waren die westdeutschen Kreditgenossenschaften. Ihre Zahl sank zwischen 1949 und 1990 von 11.942 auf 3.037 – das entspricht einem Minus von knapp drei Vierteln!

Genossenschaften in der NS-Zeit: Auflösung der Konsumvereine

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten brach 1933 auch für die deutschen Genossenschaften eine schwere Zeit an. Ideologisch passten sie nur schwer in das nationalsozialistische Ordnungskonzept – insbesondere das von ihnen hoch gehaltene Prinzip der Selbstverwaltung kollidierte mit dem neuen „Führerprinzip“. Insgesamt gesehen war die wirtschaftliche Bedeutung der Genossenschaften jedoch zu groß, als dass man sie einfach hätte auflösen können. Von diesem Schicksal getroffen wurden lediglich die Konsumgenossenschaften.

Im Wortlaut: Der Deutsche Genossenschaftsverband zum Ausschluss jüdischer Mitglieder 1938

Drei Tage nach der Reichskristallnacht vom 9. November 1938 erließ Hermann Göring als Hitlers Beauftragter für den Vierjahresplan die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“. Darin wurde ihnen mit § 3 auch die Mitgliedschaft in Genossenschaften verboten. Der vom Nationalsozialisten Adrian von Renteln geführte Deutsche Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch) begrüßte die Ausgrenzung der Juden in seiner Verbandszeitschrift: …

Die Genossenschaftsidee als Teil der NS-Ideologie?

Noch im März 1933 wurden von der NS-Propaganda wesentliche Prinzipien der Genossenschaften als „historisch überlebt“ bezeichnet. Doch auch wenn die Genossenschaften kaum in das wirtschaftspolitische Ordnungskonzept der Nationalsozialisten passten, war ihre wirtschaftliche Bedeutung insgesamt inzwischen zu groß, als dass man sie einfach hätte auflösen können (mal abgesehen von den Konsumgenossenschaften). Stattdessen wurde das Genossenschaftswesen – nach erfolgter Gleichschaltung – zu einer „urdeutschen“ Idee erklärt und Genossenschaftspioniere wie Friedrich Wilhelm Raiffeisen zu Vordenkern der nationalsozialistischen Bewegung gemacht.