Das Genossenschaftsgesetz

Das von Hermann Schulze-Delitzsch entworfene und erstmals 1867 in Preußen verabschiedete Genossenschaftsgesetz gab den Genossenschaften eine größere rechtliche Sicherheit. Ihre Gründung war nun nicht mehr von einer staatlichen Konzession und damit vom Wohlwollen der regionalen Behörden abhängig. Eine Revision des Genossenschaftsgesetzes führte 1889 zur Einführung der beschränkten Haftung – und sorgte damit für einen neuen Aufschwung der Genossenschaftsbewegung.

Der Systemstreit zwischen Raiffeisen und Schulze-Delitzsch

Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch – die sich persönlich nie begegneten – hatten teilweise sehr unterschiedliche Ansichten über die praktische Ausgestaltung ihrer Selbsthilfevereine. Daraus entwickelte sich ab Ende der 1860er Jahre eine heute als „Systemstreit“ bezeichnete Phase der Auseinandersetzung zwischen den beiden deutschen Genossenschaftspionieren.

Der Anhauser Darlehnskassen-Verein

Am 27. März 1862 wurde – vermutlich unter Mithilfe von Friedrich Wilhelm Raiffeisen – in der Westerwald-Gemeinde Anhausen ein Darlehnskassen-Verein gegründet. Er wies einige Neuerungen auf, die sich als wesentlich für die weitere Entwicklung der ländlichen Genossenschaften Raiffeisen’scher Prägung erweisen sollten.

Biografie: Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888)

Denkt man an ländliche Genossenschaften, so kommt einem fast zwangsläufig auch der Name Friedrich Wilhelm Raiffeisen in den Sinn. Neben Hermann Schulze-Delitzsch gilt er als der große Gründervater des deutschen Genossenschaftswesens. Doch wer war der Mann, dessen Name bis heute in der Bezeichnung zahlreicher Bank- und anderer Genossenschaften weiter lebt?

Friedrich Wilhelm Raiffeisen und die ländlichen Genossenschaften

Die Wurzeln der Raiffeisen’schen Genossenschaften reichen zurück bis in den Westerwald zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Dort sah sich der noch junge Bürgermeister Friedrich Wilhelm Raiffeisen mit den Problemen der oftmals mittellosen Landbevölkerung konfrontiert. Bei Missernten oder verendetem Vieh suchten viele Bauern ihr Heil bei Wucherern, die ihnen zu ernormen Zinsraten Geld liehen. Konnten die Bauern das Geld nicht zurückzahlen, drohte ihnen die Zwangsversteigerung der Höfe. Wie Hermann Schulze-Delitzsch in der Stadt setzte Raiffeisen auf dem Land auf regionale Zusammenschlüsse der Dorfbewohner – wobei er infolge seines von christlichen Werten geprägten Lebensbildes die Faktoren Christenpflicht und Nächstenliebe wesentlich stärker betonte.

Genossenschaftsbanken für Handwerk und Gewerbe (Schulze-Delitzsch)

Während die meisten Wurzeln des modernen Genossenschaftswesens in England und Frankreich liegen, ist der Typ der Kreditgenossenschaft eine originäre deutsche Entwicklung. Wesentlich vorangebracht wurde das Konzept durch den Genossenschaftspionier Hermann Schulze-Delitzsch. Im Mai 1850 rief er den Delitzscher Vorschuss-Verein ins Leben, der als Keimzelle der heutigen Volksbanken gilt.

Dr. Anton Bernhardi (1813-1889)

Er war Arzt, zugleich aber auch Erfinder und Unternehmer, Politiker und Genossenschaftspionier: Im Kampf gegen die sozialen Missstände während der Industrialisierung entwickelte Anton Bernhardi Produktionsmöglichkeiten zur Herstellung preiswerter Kalksandstein-Ziegel. Zudem war er Mitbegründer des Eilenburger Darlehnskassen-Vereins – dessen Mitglieder noch vor Hermann Schulze-Delitzsch auf die Prinzipien der solidarischen Haftung und der Selbsthilfe setzten.